Über das Reiten

 

Jetzt schimpft er auch noch über die Reiterei !

Wir leben doch alle gut davon und haben unseren Spaß mit den Pferden.

Eine Krähe hackt der anderen doch wohl kein Auge aus.

Doch, wo es angebracht ist, schon!

 

Heute gibt es 'zig Reitweisen.

Einige werden neu erfunden, einige aus der Mottenkiste ausgegraben.

Hauptsache, die ultimative Reitweise lässt sich gut vermarkten.

Ich möchte die verschiedenen Hauptrichtungen im Folgenden kurz Beschreiben,

damit der denkende Reiter oder der nach einer Reitweise Suchende

eine Einschätzung gewinnt.

 

 

Das System FN:


Die „FN- Reiterei“ steht in direkter Tradition der barocken- klassischen Reiterei.

Mögen sich durch die Gebrauchsreiterei bis einschließlich 2. Weltkrieg
(festgehalten u.a. in der HDV 12)
und die leicht veränderten Pferdeprofile ein paar wenige Dinge verändert haben,

so sind die Ausbildungsziele und Wege doch die gleichen.

 

Die FN hat dieses über Jahrhunderte lang erprobte und sich als richtig herausgestellte Wissen

in Ausbildungsrichtlinien festgehalten. Diese Grundrichtlinien sind richtig und unzweifelhaft.

Ebenso hat die FN in ihren Reihen auf allen Ebenen hervorragende Ausbilder und Fachleute.

Die Turniere sind in aller Regel hervorragend organisiert.

Die Warmblutpferdezucht hat noch nie so rittige Pferde hervorgebracht wie dato.

 

Wo ist also das Problem?

 

Das Problem ist die gnadenlose Vermarktung des Reitsports (Hippokapitalismus).

Im Barockzeitalter hatten die Adligen Geld und Zeit. Geritten wurde der Kunst und des Vergnügens wegen.

Heute ist im Reitsport viel Geld zu verdienen. Ich nenne nur einige Punkte und Interessenslagen:

 

Die Züchter:
 

Ein Pferd/Pony kann und wurde früher normal noch ohne Probleme mit über 20  Jahren geritten.

Heute kommen die Pferde mit durchschnittlich 8 Jahren  „in die Wurst“.

Mit 3 Jahren wird ein Pferd angeritten und auf vermeintliche Leistung getrimmt.

Mit 4 Jahren ist die erste Dressurprüfung oder  ein Springen fällig.

Der Markt würde zusammenbrechen, wenn nicht ein schneller Verschleiß immer neue Pferde fordern würde.

 

Die Tierärzte:
 

Leben sie von gesunden oder kranken Tieren?

Jeder Tierarzt weiß, dass z.B. eine gesunde Haltung und sinnvolles Reiten einiges an Medikamenten sparen würde,
aber sag das mal einem Stallbesitzer mit ausschließlich Boxenhaltung. Der Tierarzt setzt keinen Fuß mehr auf dem Hof.

Jeder Tierarzt weiß, dass zum einen eine Kastration den Hormonhaushalt und die Gesundheit des Pferdes wesentlich beeinträchtigt,

aber zum zweiten auch wesentliche Folgeaufträge beschert. Die wenigsten werden da Widerstehen.

Jeder Ostheopat weiß, dass sein Geschäft das Überfordern und Verrittenwerden von Pferden ist.

Eine Ursachenbekämpfung würde auch hier Arbeitslosigkeit zur Folge haben.

 

Die Reitlehrer:

 

Wie sieht eine Reitlehrer- oder Bereiterausbildung aus?

3 Jahre Reitausbildung und Pferdekunde?
Weit gefehlt: 3 Jahre Berufsschule und Boxenmisten.

Etwas übertrieben, aber nicht weit gefehlt.

 

Ist es nicht einfacher, die „Reitrichtlinien“ auswendig zu lernen,
statt sich das zugegeben vielschichtige Wissen rund um die Reiterei anzueignen ?

Ist es nicht einfacher, im Unterricht zu schreien und den Satz „es ist nun mal so“ zu verwenden,
als auf die individuelle Problematik von Reiter und Pferd einzugehen und zu erklären und zu begründen?

Ist es nicht einträglich, einen Reitschüler durch allerlei Sprüche (siehe Punkt Reitlehrer allgemein)

klein zu halten und 'zig überflüssige Stunden zu geben? (Du musst mir, äh dir, erst die Sporen verdienen!)

Ist es nicht einfacher und einträglicher, den „Oberen“ und den Kunden nach dem Mund zu reden,
als in der Sache Farbe zu bekennen?

 

Die Futtermittelindustrie und die Pharmazie:

 

Warum wir das Ideal, “nur ein großes Pferd kann man Reiten“, so hochgehalten?

Nun, ein großes Pferd frisst (konsumiert) mehr und ist auf Grund seiner genetisch bedingten übergroßen Größe

gesundheitlich anfälliger und ein sicherer Konsument für allerlei gesundheitsfördernde Mittel.

 

Die Funktionäre und Verantwortlichen:

 

Alle zu dumm und geldgierig?

Nein! Sie leben von den oben genannten Gruppen und müssen deren finanziellen Interessen vertreten.

Sie müssen sich in einer Medien- und Sponsorenwelt durchsetzen.

Da zählt Geld, der schnelle Erfolg und Pferdesportmarketing.

Beispielhaft sei hier nur das Verbot (Stand April '05) des Einreitens,
auch vor dem Viereck, mit Gerte bei großen Turnieren, genannt.

Begründung: Ein öffentlicher Klaps mit der Gerte könnte Sponsoren und Publikum vergraulen.

Dies nur ein Beispiel für den Gegensatz: Sinnhaftigkeit versus Kommerz.

 

Das „Sportreiten nach FN“ muss aber für den einzelnen Reiter nicht zwangsläufig schlecht sein.

Was spricht dagegen, sich sportlich zu messen, solange das Pferd nicht zum Sportgerät (Material) degradiert wird?

Was spricht dagegen, wenn Reiter und Pferd in einer Prüfung gerichtet werden und der
Leistungsstand dokumentiert wird?

Klar sein muss nur, dass sportliches Messen auch immer eine Gleichheit des Materials voraussetzt.

Dies ist unter ausbildungs- und reiterlichen Gesichtspunkten nicht immer Sinnvoll !

Gebisse, Gerten und Sporen sind reglementiert, wie z.B. die Gertenlänge selbst bei langen Pferden.

(Ein Schuft, wer beispielsweise in der vorgeschriebenen dicken Trense,
 eine Bevorzugung von Männern auf Grund der kräftemäßigen Überlegenheit sieht).

Klar müssen auch die oben genannten „monetären Zwänge“ sein.

Das „Reiten nach und in der FN“ hat also Licht und Schatten.

Wohl dem (und seinem Pferd), der beides sieht.

 

Die Freizeitreiterei:
 

Ein sehr verschwommener Begriff.

In der Praxis kommen die Leute zur „Freizeitreiterei“, weil sie das „FN Reiten“,
teils aus verständlichen Gründen, ablehnen. Aber entsteht daraus etwas Besseres?

Ja und nein.

Es gibt viele Beispiele dafür,

dass Freizeitreiter ihre Pferde ordentlich halten und gekräftigt,
locker und im Gleichgewicht durchs Viereck und Gelände reiten.

Es gibt leider auch viele Beispiele dafür,

dass „ich reite nur Freizeit“ dort dann heißt, ich kann mein Pferd in

Robusthaltung vernachlässigen und ohne Kräftigung und Gymnastizierung durchs Gelände schrubben.

„Ausbildungsvorschriften“ werden grundsätzlich abgelehnt (wir wollen frei sein).

Alles, was alternativ ist, ist gut, sei es Ausrüstung oder Reitweise.

Man will zwar Natur, aber wenn dann ein Hengst seiner Natur Ausdruck verleiht - dann lieber doch nicht.

Schulmedizin und Skalpell müssen her.

Der fehlende und  folglich krankmachende Hormonhaushalt wird dann mit allerlei Bachblüten,
Homöophati und irgendwelchen esoterischen Maßnahmen vergebens bekämpft.

Der „Spitzenverband“ der VFD hat mit ähnlichen Problemen wie die FN zu kämpfen.

Es sei aber auch erwähnt, dass viele Bezirksverbände nicht nur Kurse wie z.B.

„Halfter selbst geknüpft“ sondern auch „Wie gymnastiziere ich mein Pferd“

durch eigene oder externe Ausbilder anbieten.

 

Das Westernreiten:
 

Ein paar Fakten

Die Westernreiter, also die Cowboys, genossen im Gegensatz zum Adligen des 17. Jahrhunderts

oder des Kavalleristen des 1. Weltkrieges keine langjährige Ausbildung.

Es waren „arme Schlucker“, die keinen ungefährlichen und einfacheren Handwerksjob erhielten.

Reitunterricht gab es schon aus Kostengründen definitiv nicht!

Die Pferde wurden eingebrochen. Eine „stramme FN Ausbildung“ wäre für die Pferde ein Traum gewesen!

Die Westernsättel sind für „geradeaus“ konstruiert. Ein sinnvolles Biegen in unseren Reithallen und Plätzen

ist anatomisch nicht möglich.

Die Pferde wurden vom ersten Tag an auf Kandare geritten. Sicherheitstechnisch verständlich,

ausbildungsmässig meist unsinnig.

Um ein Pferd zu erspüren, muss der Reiter Kontakt zum Pferd haben, und nicht, beispielsweise durch

Fender am Westernsattel daran gehindert werden.

Die Cowboys bekamen Geld dafür, dass Sie so ritten, die „deutschen Cowboys“ geben Geld dafür aus.

Das diese „Wild West Reitweise“ in Deutschland trotz der genannten Beispiele so viele Anhänger

gefunden hat, zeigt die Überlegenheit der amerikanischen Marketingstrategien.

 

Die neuen Reitweisen:


Ständig werden neue Reitweisen und neue Ausbildungsmethoden  erfunden.

Man könnte fast meinen, Pferde verändern sich monatlich und nicht in einer jahrtausend währenden  Evolutionsgeschichte.

Kaum eine Ausgabe bestimmter Boulevardpferdezeitschriften, in der etwas ganz neues

gepriesen wird und das gestern noch aktuelle gnadenlos verrissen wird,
in den Brennpunkt gestellt oder Mistgabeln erhält. „Bild“- en Sie sich dazu selbst Ihre Meinung.

 

Alle neuen Wunderlehren, bzw. dessen jeweilige Gurus, haben fast immer eines gemeinsam:

     1.    Sie kommen häufig aus den reitkultur- und reitgeschichtslosen Vereinigten Staaten.

     2.   Sie werden nach dem Schneeballsystem vertrieben (Lizensierte Trainer, Instruktoren usw.)

     3.   Alles ist ganz einfach. Vertrauen wird in 15 Minuten aufgebaut.

     4.   Das Wort natürlich oder die englische Form wird bis zum geht nicht mehr verwendet.

      Gewaltfreiheit steht auch hoch im Kurs

     5.   Die Pferde zeigen bei der Arbeit für den Fachmann sichtbar Streßverhalten,

      Der Mediziner misst einen sehr erhöhen Pulswert

     6.   Für jede neue Lehre gibt es Ausbildungsgegenstände, Videos,

           Bücher und allerlei Schnickschnack, was der Kunde natürlich kaufen kann (Mechandising).

     7.   Amerikanisierte Ausdrücke haben Hochkonjunktur.

           Aus dem völlig verängstigten Wallach wird sodann ein „gooood Boooy“

     8.   Kommt das völlig verängstigte Pferd zum Guru,
      weil es keinen anderen Ausweg mehr weiß oder das Kommen als kleineres Übel ansieht
      oder auch nur nach einem Leckerli bettelt - stellt dies einen „magischen Moment“ dar.

     9.   Kein Guru wurde je bei einer normalen L- Dressur oder einer klassischen Reitvorführung

           gesehen.

    10.  Alle Gurus sind hervorragende PR Leute, nutzen ihr Charisma und haben beste Beziehungen
      zu den Zeitungen und sogar  zu einigen Fernsehanstalten.

 

Aber wie jeder Selbstversorger seiner Pferde weiß:

„Taut der Schnee, weiß man, wo die Scheiße liegt“.

 

Klassisch/Barockes Reiten:
 

(eigentlich klassisch Reiten, Barock verkörpert hier nur die Blüte- und eindeutige Hochzeit der Reiterei)

Mein Zuhause, hier Kritik zu üben tut weh! Aber dieses nicht zu tun, hieße auf beiden Augen blind sein, oder sehr naiv.

Der klassisch/barocke Reiter, verkörpert er doch DAS Ideal der Reiterei.

Hier Fehler zu machen, ist doppelt schlimm.

Leider sieht man aber auch hier unschöne Bilder.

        -  Nicht immer sinnvoll eingesetzte, meist landestypische blanke Kandarren

        -  Die Schönheit mancher langen Kleider überdeckt das reiterliche Können

        -  Einige Reiter überschätzen sich und ihre Pferde

 

Die Gründe für die „unschönen Bilder“ liegen zumeist nicht bei den Reitern selbst, sondern daran,
dass es im Gegensatz zu den Sportreitern (FN) keine festen Strukturen gibt.

Teilweise herrscht Wild West. Symptomatisch, dass ein Vereinsvorstand eines sich dem barocken Reitens

verschriebenen Vereines noch nie auf einem Pferd gesehen wurde.

Wie soll da das „einfache Mitglied“ einen Maßstab bekommen.

Schönrednerei und Kostümreiten sind die Folge.

 

Viele Ausbilder und gute Reiter haben sich aus diesem „Zirkus“ verabschiedet und kochen ihr eigenes Süppchen.

Für mich verständlich, aber dem publik machen dieser Reitweise nicht förderlich.

Dabei haben die Barockreiter doch die besten Voraussetzungen:

        - Die richtige klassische Lehre

        - Meist herrliche Pferde

        - Eine unerschöpfliche und stimmige Literatur

        - Eine Reihe guter Ausbilder

        - (Noch) ein Publikum, dass barock/klassische Vorführungen gerne sieht.

Möge man mich als Nestbeschmutzer bezeichnen, aber die o.a. Feststellungen bleiben.

Wir stehen am Scheideweg. Entweder dieses Reiten zur alten Blüte zu verhelfen

oder vollends in die reiterliche Barbarei abzufallen und eine unbedeutende Sparte im Breitensport zu werden.
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Wer ist dann nun an allem Negativen der diversen Reitweisen und Richtungen schuld ?

Es ist leicht, alles und alle zu „zerreißen“.

Wollen Sie doch alle nur das gleiche - Ihr Geld.

Ist es legitim ? Es ist !

 

Zum einen weiß jeder, der Nachrichten sieht, was aus Geldgier Menschen mit Menschen machen.

Jeder weiß auch, dass aus den niedersten menschlichen Instinkten

        -  Tiere fast bis zur Bewegungsunfähigkeit in Käfige gesperrt werden

        -  Tiere, für die tausendste Kosmetik, in Versuchslaboren millionenfach unsägliches Leid
       erfahren

        -  Tieren aus Modegründen, teils lebendig, das Fell abgezogen wird.

Warum soll es dann dem „im Pferdegewerbe tätigen“ verwehrt sein,
ihr im Vergleich dazu harmloses Treiben auszuüben...
 

Jeder Reitanfänger hat es selbst in der Hand, vom Fußgänger zum (wahren) Reiter aufzusteigen.